Argentinien: Undurchdringlich und weit – doch Gottes Wort gelangt überall hin
Ob mit dem Moped durchs Dickicht oder dem Auto durch einsame Weiten - in Argentinien sind die Wege lang und die Herausforderungen vielfältig. Die missionarischen Tätigkeiten jedoch kennen keine Grenzen. Julia-Kathrin Raddek gibt Einblick in vier Regionen Argentiniens und erzählt beispielhaft von leidenschaftlichen Frauen und Männern, denen kein Weg zu weit ist, um Menschen mit der Liebe Gottes bekannt zu machen.
Patagonien - Mission in einsamen Weiten
In der südlichsten Region Argentiniens ist das Wetter unberechenbar, mal regnet es in Strömen und zehn Minuten später überrascht strahlender Sonnenschein. Manchmal erlebt man vier Jahreszeiten an einem Tag. 2,5 Einwohnern leben hier pro Quadratkilometer. Einsamkeit ist ein spürbares Gefühl, doch die Freiheit der Weiten lockt; wer hier sein Zuhause finden möchte, muss das mögen und sich bewusst dafür entscheiden.
Vor über 30 Jahren taten dies Noemí und Pedro Boretsky. Seitdem sind sie aus der Missionsarbeit unter dem indigenen Volk der Mapuche nicht wegzudenken. Immer noch staunen sie über das, was seit ihren Anfängen im Jahr 1991 in und um Esquel, wo die erste Gemeinde steht, wächst! Und sie sind nicht allein. Im Umkreis von 350 km befinden sich vier weitere Standorte, die zur Missionsarbeit gehören. Überall bringen sich Haupt- und Ehrenamtliche mit einem großen Herzen für die Menschen ein. Doch die Umstände sind nicht leicht. Denn das Klima ist rau und die Einheimischen sind oft unzugänglich. Es braucht einen langen Atem, um Beziehungen zu knüpfen.
Im Blick des bunten Gemeindelebens sind die Menschen mit ihren Nöten. Ein Schwerpunkt ist die schulische Unterstützung. Seit vielen Jahren krankt das argentinische Bildungssystem: Streiks, Lehrermangel, schlechte Bezahlung, marode Gebäude. Dazu müssen manche Kinder weite Wege auf sich nehmen. So haben sich in den Gemeinden Teams gefunden, die Schülerinnen und Schüler in kleinen Gruppen beim Lernen fördern. Manche wollen studieren und haben Träume. Andere sehen keine Perspektive. Ihnen fehlt die Wertschätzung und angemessene Hilfe. Die Mitarbeitenden geben ihnen genau das.
Mendoza – ein Sozialzentrum für die Menschen
1.500 km weiter nördlich entlang der Anden befindet sich die Stadt Mendoza. Sie ist eine von drei grünen Oasen in der gleichnamigen Provinz. Seit über 25 Jahren wirkt im Stadtteil Doce de Mayo das Sozialzentrum durch sein Engagement als Licht für die Bevölkerung. Der Alltag der Bewohner ist durchzogen von existenziellen Nöten. Das Sozialzentrum ist mit seiner sozial-diakonischen Arbeit für diese Menschen da. Miriam Pizzi, leidenschaftliche Sozialarbeiterin und Leiterin der Einrichtung, ist schon lange in die Arbeit im Stadtteil involviert. Tagsüber kommen viele Kinder. Sie erhalten Unterstützung beim Lernen und können kreative oder sportliche Angebote wahrnehmen. Die Mädchen und Jungen bekommen eine Mahlzeit und sind durch all das geschützt vor dem unberechenbaren Leben auf der Straße.
Impenetrable - Undurchdringlich und doch erreichbar
Weiter nach Nordosten gelangen wir in den Gran Chaco, der heißesten Region Argentiniens. Die Landschaft ist teils karg und dann wieder undurchdringlich. Denn im El Impenetrable (Das Undurchdringliche), einer mehr als 40.000 km2 großen Fläche, ist das Land von Bäumen, Sträuchern und Kakteen überzogen. Bedrohte Tierarten wie der Jaguar fühlen sich dort wohl. Doch für die etwa 60.000 Menschen sind die Wege – zumeist unbefestigt - mühsam zu beschreiten. Die meisten Einwohner gehören zum indigenen Volk der Wichí. Ihre Lebenssituationen sind oft prekär. Sanitäranlagen gibt es kaum. Viele leiden an Mangelernährung.
Dort befindet sich seit 1996 die Baptistengemeinde in Miraflores. Sie erreicht mit ihrer Arbeit etwa 15 weitere Orte in der Umgebung. Durch die Hitze kommt es im Gran Chaco immer wieder zu Dürrephasen, in der Flüsse, Teiche und Staudämme austrocknen. Das trifft die arme Bevölkerung hart, denn fließend Wasser haben sie nicht. Seit vielen Jahren tragen die Gemeinden dazu bei, dass in der ganzen Region Brunnen entstehen. Das ist eine aufwändige Arbeit: Löcher bohren, Pumpen anschließen, Leitungen bauen. Zusätzlich werden Holzkonstruktionen gebaut, um in 3,5 Metern Höhe riesige Tanks zu installieren. Sie werden mit Wasser befüllt und die Menschen kommen mit Kanistern und Kannen, um sich zu versorgen. Wasser des Lebens wird hier leibhaftig erfahrbar. So verstehen die Christinnen und Christen ihren Glauben: Anderen einen Zugang zur Quelle des Lebens verschaffen, die für alle umsonst unaufhörlich sprudelt. Auf diese Weise wirken sie hinein in die Städte und Dörfer und machen die Menschen mit der verändernden Liebe Gottes bekannt.
Misiones – wo der Name Programm ist
An der Grenze zu Paraguay und Brasilien liegt die Provinz Misiones, auch Tierra Colorada genannt, denn die Erde leuchtet rotbraun. Die Provinz im äußersten Nordosten ist so groß wie Belgien und 35% des Landes sind mit Regenwald bedeckt. Insgesamt ist es hier feucht, viele Flüsse durchziehen das Land. In Misiones koordiniert Oscar Kunigk gemeinsam mit seiner Fran Alicia die missionarische Arbeit an vier Orten im Alto Uruguay (Grenzfluß zu Uruguay und Brasilien): Bernardo de Irigoyen, Dos de Mayo, El Soberbio und Puerto Rico. Wenn Oscar sich auf den Weg macht, um die Geschwister zu besuchen, sind die Entfernungen für ihn nicht ganz so weit wie in den anderen Regionen Argentiniens.
Die Arbeit in Puerto Rico ist die jüngste im Alto Uruguay. Hier treffen sich die Geschwister noch in privaten Wohnungen, bis sich eine geeignete Räumlichkeit findet. Die Suche ist herausfordernd. Da das Land so dünn besiedelt ist, gibt es keinen wirklichen Mittelpunkt, der für alle gleichermaßen problemlos erreichbar ist.
Ganzheitliche Mission
An allen Standorten verweben sich missionarisch-evangelistische Aktivitäten mit aufsuchender Sozialarbeit und dem praktischen Dienst an den Menschen. Hingehen, zuhören, Augen, Herzen und Hände öffnen. Das Nötige tun und im Vertrauen auf Gott das Unmögliche erwarten. So leben die Geschwister in Argentinien, was Jesus selbst sagte: „Was ihr für einen meiner Brüder oder eine meiner Schwestern getan habt – und wenn sie noch so unbedeutend sind –, das habt ihr für mich getan.“ (Matthäus 25, 40; BasisBibel)
Von Julia-Kathrin Raddek. Der Beitrag erschien zuerst im EBMI-Magazin 1/2025.