Geschichten vom Missionsfeld

März 2022

Isla de la Juventud: Eine Piraten- und Gefängnisinsel hört das Evangelium

Die Jugendinsel, die größte Nebeninsel Kubas, trug schon viele Namen. Christoph Kolumbus nannte sie „La Evangelista“. Zur Zeit der Freibeuter zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert hieß sie angeblich Papageieninsel. Ihr eigentlicher Name war bis 1978 Kieferninsel. Schon in diesen vielen Bezeichnungen spiegelt sich eine bewegte Geschichte wieder.

Höhlenmalereien weisen auf eine Besiedelung der Jugendinsel bereits vor 3.000 Jahren hin. In der frühen Neuzeit fanden hier Piraten wie Francis Drake Unterschlupf. Diese Aktivitäten inspirierten Robert Louis Stevenson zu seinem berühmten Roman „Die Schatzinsel“. Zum heutigen Namen gelangte die sechstgrößte Karibikinsel durch Fidel Castro. Nachdem er sie – wie viele Regierende zuvor – als Gefängnisinsel nutzte, wollte er nach der kubanischen Revolution die landwirtschaftliche Entwicklung dort vorantreiben. Also siedelte er Tausende junger Menschen – vor allem aus Ländern der damaligen dritten Welt – zum Lernen und Arbeiten auf der Insel an und nannte sie fortan „Isla de la Juventud“: Jugendinsel. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs lief auch sein Vorzeigeprojekt aus. Heute sind die meisten Internatsschulen leer und verwaist, die meisten Gefängnisruinen ebenso.

Ob Kolumbus ahnte, dass seine Namensgebung heute immer noch in Teilen der Jugendinsel Programm ist? „La Evangelista“ bedeutet „Der Evangelist“. Die Baptistengemeinde der Inselhauptstadt Nueva Gerona, 1998 von Daniel González gegründet, hat mittlerweile neun Tochtergemeinden. Es gibt 7 weitere Gemeindegründungsprojekte und 15 Missionarinnen und Missionare. Zusammen erreichen diese evangelistischen Initiativen etwa 2.000 Menschen. Eine beeindruckende Zahl bei nur etwa 70.000 Einwohnern auf der ganzen Jugendinsel.

Pastor Ernesto, der die Gemeinden der Jugendinsel für EBM INTERNATIONAL koordiniert, berichtet: „Über lange Zeit waren wir hier auf der Insel von der Corona-Pandemie verschont geblieben. Dazu liegen wir zu weit abseits. Aber im letzten Jahr gab es doch größere Ausbrüche und es gab Einschränkungen bei den Gottesdienstbesuchen in den größeren Gemeinden. Die Hausgemeinden haben es hier leichter. Es ist ein wichtiges strategisches Ziel, weitere Kleingruppen zu gründen, gerade weil wir mit möglichen Einschränkungen für Kirchen in Kuba rechnen.

Die Schwierigkeiten der letzten zwei Jahre, vor allem die wirtschaftlichen, bremsen das Engagement der Christen in Kuba nicht. Zwar sind einige Pastoren krank geworden und einige Taufen konnten nicht stattfinden. Aber man hilft sich, wo man kann und die Hausgemeinden teilen mit ihren Nachbarn das wenige, das sie auftreiben können. Pastor Ernesto hat große Ziele: Neben den neuen Gemeindegründungen auf seiner Insel hat er schon begonnen, seine Gemeinden für das Thema Weltmission zu begeistern und dafür ein Opfer gesammelt. Schon bald möchten sie selbst Missionare aussenden, die in anderen Ländern Menschen von Jesus erzählen.

Im Jahr 2021 fand neben vielen anderen Ana (Name geändert) im Glauben Halt und einen Neuanfang. Die Ärztin war zutiefst einsam. Sie fühlte sich wie in einem Gefängnis und sah keinen Sinn mehr in ihrem Leben. Eines Abends irrte sie stundenlang durch die Straßen ihrer Nachbarschaft. Christen einer Hausgemeinde erkannten ihre Not und hörten ihr zu. Pastor Ernesto sprach ihr neuen Mut zu und lud sie ein, ihr Leben durch Jesus neu zu beginnen. Seitdem merkt sie jeden Tag, wie sie Kraft und Halt findet. Auf ihrer Arbeit hat sie angefangen, diesen Segen weiterzugeben. Jetzt ist sie auch eine von den vielen Christinnen und Christen der Jugendinsel, die das Evangelium weitertragen.

Von Michael Fischbeck