Geschichten vom Missionsfeld

Juli 2023

Indien: Lepra gibt es noch

Weltweit gibt es immer noch Tausende von neuen Leprafällen pro Jahr, die meisten davon in Indien. Mehr als 200.000 Menschen steckten laut WHO sich im Jahr 2019 mit der chronischen Infektionskrankheit an. Dabei ist Lepra heute gut behandelbar. „Aussatz“ ist eigentlich kein Grund mehr für Ausgrenzung. Aber die Realität sieht anders aus.

Als Manjula (Name geändert) 15 Jahre alt war, entdeckte sie einen ungewöhnlichen blassrosa Fleck auf ihrem Oberschenkel. Sie dachte sich nichts dabei, trug eine Salbe auf und kümmerte sich weiter um ihre Aufgaben. Manjulas Familie hielt ein paar Tiere und verkaufte Milch. Ein paar Tage später erschien ein weiterer Fleck auf ihrer rechten Wange. Ihre Eltern brachten sie zu einem Arzt, der ihr ein pflanzliches Mittel zur Behandlung gab. Es brachte keine Besserung. Schon bald konnte sie ihre Finger nicht mehr bewegen und verlor das Gefühl in ihren Händen. Im staatlichen Krankenhaus verwies man sie an ein Lepra-Krankenhaus. Doch Manjula weigerte sich, dorthin zu gehen: Lepra bedeutet Spott, Ausgrenzung, Leid.

Kampf gegen Krankheit und Stigmatisierung

In Indien gibt es weiterhin große Herausforderungen im Kampf gegen Lepra. Die Regierung stellt mittlerweile Medikamente kostenlos zur Verfügung und versucht, die Bevölkerung aufzuklären. Doch die hohe Bevölkerungsdichte und schlechte hygienische Bedingungen tragen zur Ausbreitung der Krankheit bei. Das größte Problem ist die Stigmatisierung: Niemand möchte mit „Aussätzigen“ zu tun haben.

Manjula muss gehen

Damals war Manjula bereits mit einem Mann verlobt. Sie wollte ihr Leben nicht aufgeben, nahm weiterhin die Kräutermedizin und hoffte auf Besserung. Doch irgendwann erschienen kleine Löcher unter ihren Zehen. Sie konnte kaum noch gehen. Als die Leute herausfanden, dass die junge Frau Lepra hatte, mieden sie sie. Auch ihr Verlobter verließ sie. Schließlich ging Manjula in das Lepra-Krankenhaus, wurde dort behandelt und kehrte nach ein paar Tagen in ihr Dorf zurück. Doch niemand, nicht einmal ihre Familie, ließ sie bei sich bleiben. Sie ging erneut in die Klinik und bat darum, länger dort zu bleiben. Die Ärzte rieten der verzweifelten Frau, in die Poolbagh-Kolonie zu gehen.

Ausweg Leprakolonie

Bridge of Hope, Partnerorganisation von EBM INTERNATIONAL, unterstützt seit mehr als 30 Jahren Menschen in der Leprakolonie „Poolbagh“. Etwa 60 Familien erhalten dort Reis und andere Lebensmittel, sie bekommen medizinische Hilfe, Medikamente und Verbandsmaterial für ihre Geschwüre. Manjula war 22 Jahre alt, als sie dort ankam. Anfangs wohnte sie in einer einfachen Hütte aus Holz und Blättern. Die Leprakolonie wurde ihr neues Zuhause: Sie traf einen Mann, der ebenfalls Lepra hatte. Die beiden heirateten und bekamen einen Sohn, der inzwischen erwachsen ist.

Zuwendung und Würde

Heute ist Manjula 45 Jahre als, verwitwet und nach wie vor von ihrer Krankheit gezeichnet. Sie lebt weiterhin in der Leprakolonie und erhält Reis und medizinische Hilfe. Mindestens genauso wertvoll ist jedoch die Zuwendung, die sie durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bridge of Hope erhält: Liebevolle Worte, Unterstützung in ihrem Alltag, das Wissen, dass sie auch in ihrer Krankheit angenommen und geliebt ist.

Wenn Lepra frühzeitig erkannt wird und Betroffene eine angemessene medizinische Versorgung erhalten, kann die Krankheit geheilt werden. Ein normales Leben ist möglich. Durch die medizinische Begleitung in der Leprakolonie sind die Kinder, die dort aufwachsen, gesund. Vielleicht erleben sie tatsächlich eines Tages: Lepra gibt es nicht mehr.